Die vielfältigen Barockmusiktraditionen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben zu einer dichten Festspiellandschaft in diesen Bundesländern geführt. Deren Wurzeln gehen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, blickt man auf die Geschichte des Bachfestes Leipzig und der Händel-Festspiele in Halle (Saale).
Bei den hier verorteten Barockmusikfesten fällt auf, dass sie sich programmatisch ihrer eigenen Musiktradition bewusst sind. Hierunter zählen Festivals, die einem Komponisten gewidmet sind, der vor Ort gelebt oder gewirkt hat, z.B. Georg Philipp Telemann in Magdeburg, Johann Sebastian Bach in Thüringen oder Johann Friedrich Fasch in Zerbst. Ferner spiegelt sich ein regionaler Bezug entweder durch das Vorhandensein bedeutender Musikinstrumente (Silbermann-Tage in Freiberg, Merseburger Orgeltage) oder in einer besonderen Musiziertradition (Adjuvantentage in Thüringen) wider. Dabei ist besonders zu betonen, dass Festivalkonzerte nicht allein in großen Kulturmetropolen, sondern gleichzeitig in ländlichen, manchmal strukturschwachen Gebieten stattfinden, die sonst kaum über ein überregional wahrgenommenes Kulturangebot verfügen (z.B. Musikfest Erzgebirge, Barockfestspiele Schloss Batzdorf).
Festivals inspirieren zahlreiche Besucher von nah und fern, hierher zu reisen, die dann das regionale Musikerbe präsentiert bekommen. Darüber hinaus beauftragen Festivals europaweit renommierte Künstler, sich mit dem regionalen Erbe auseinanderzusetzen, um neue Konzertprogramme zu kreieren. Einige Male werden Veranstaltungen in Koproduktion mit anderen Orten eins zu eins übernommen. So erklingt unbekanntes, regionales Musikerbe auch in europäischen Musikmetropolen. Die Förderung durch die MBM ermöglicht die Durchführung derartiger Festivalprojekte, erst recht, wenn wenig bekannte Musik aufgeführt wird, denn selbst den größten Musikfesten ist es kaum möglich, Konzerte mit Musik unbekannter Zeitgenossen eigenständig zu finanzieren.
All dies wird durch zwei von der MBM selbst veranstaltete Festivals exemplarisch umgesetzt. Das überregional wahrgenommene Heinrich Schütz Musikfest ist das einzige Festival, das in den drei Bundesländern gleichzeitig, zum Teil in eher ländlich geprägtem Raum stattfindet. Letzteres gilt auch für das an wechselnden Orten stattfindende unMittelBARock! – Tage Mitteldeutscher Barockmusik. Komprimiert an einem Wochenende wird den Menschen vor Ort ihre verschüttete Musiktradition ins Bewusstsein gerufen. Und nicht zuletzt kommt es dabei auch zu Entdeckungen für europäische Musikerinnen und Musiker, die sich, initiiert durch die MBM, erstmalig dieser Musik gewidmet haben.
Clemens Birnbaum
© Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V.