Durch die deutsche Teilung war die große historische
Bedeutung Mitteldeutschlands, nicht nur auf musikalischem, sondern insgesamt
auf kulturellem Gebiet, etwas in Vergessenheit geraten. Die Gründung der MBM
wollte dem, zumindest für den Bereich der Barockmusik, entgegen wirken.
Bedauerlich, dass nicht viel mehr solcher Konstruktionen für andere kulturelle
Bereiche entwickelt wurden! Denn der Fördergedanke der MBM ist grandios, ebenso
die Konstellation zwischen dem Bund und den drei Ländern. Aber wie diese
Förderung nun im Einzelnen umgesetzt wurde und wird, ist eine andere Frage –
und da war ich, der ich mehrfach dem Präsidium angehörte, nicht immer ganz glücklich
mit den Entscheidungen. Das ursprüngliche Konzept, das eine Förderung für
sogenannte A- und B-Projekte vorsah, war aus meiner Sicht wichtig und richtig,
weil es nicht nur ‚Events’ geben kann. Der musikalische Reichtum
Mitteldeutschlands besteht gerade darin, dass es nicht nur die großen Namen
Schütz, Telemann, Bach, Händel gibt, sondern darüber hinaus noch sehr viele
andere. Und ebenso nicht nur die berühmten Orte Dresden, Leipzig, Halle und Magdeburg!
Die heute allgegenwärtige Ausrichtung auf
‚Leuchtturm-Projekte’ und die ewige Suche nach dem ‚Event’ finde ich ganz
verheerend. Natürlich ist man oft abhängig von Geldgebern, die mitunter mit der
Materie nicht ganz so vertraut sind… Die Zusammenarbeit mit den Partnern aus
der Politik gestaltete sich demnach auch in der MBM sehr unterschiedlich und
hing von den jeweiligen Persönlichkeiten ab. Manche waren sehr aufgeschlossen
und gut informiert; sie wirkten infolgedessen hilfreich und verständnisvoll.
Aber es gab auch andere, mit denen es gelegentlich zu Meinungsverschiedenheiten
kam. Erschwerend kommt hinzu: Alle vier Partner müssen sich einigen. Dieser
Verbund ist so sinnvoll wie notwendig, erleichtert das Verfahren aber nicht.
Gut läuft es immer dann, wenn die im Wortsinne entscheidenden Persönlichkeiten
der Sache der MBM dienen wollen.
Doch das ist ein grundsätzliches Problem bei jeder Art von
Förderung: die Entscheidung, was im Einzelnen förderungswürdig sein soll. Die
MBM ist angetreten, die Barockmusik in all ihren Facetten zu erforschen, also
einschließlich der Musikwissenschaft und der Instrumentenkunde. Die Musik war
als ganz umfassender Begriff gemeint. Diese Grundidee wurde zwar beibehalten,
aber das scheinbar Kleine, musikalisch wie geographisch gesehen, samt den
Musikern, die sich darum bemüht haben, wurde spürbar reduziert. Die
‚Eventkultur’ ist auch hier auf dem Vormarsch; es finden sich auch hier große
Namen mit austauschbaren Programmen. Das spezielle mitteldeutsche Kolorit, das
auch im Hinblick auf die Musiker existiert, wird weniger beachtet.
Eine durchaus erwähnenswerte Leistung der MBM ist, die
spürbare Krisenzeit bewältigt zu haben. Und ohne die Verdienste der ersten
Geschäftsführerin, Frau Dr. Konrad, sowie der ehemaligen Präsidien schmälern zu
wollen, ist dieser Erfolg der neuen Führungsriege zu verdanken. Nur dadurch
konnte es überhaupt weiter gehen mit der MBM. Und diese hat ja durchaus einiges
vorzuweisen: Sie konnte die Komponisten der Barockzeit deutlich mehr ins
Bewusstsein rücken, und zwar deutschlandweit. Sie hat einige gewichtige
Veröffentlichungen zu verzeichnen. Sie hat den Musikinstrumentenbau, die Orgel
eingeschlossen, der für Mitteldeutschland von großer Bedeutung ist,
thematisiert und die Forschung voran getrieben. Als Errungenschaft möchte ich
unbedingt auch das neue Gewand der Heinrich-Schütz-Tage anführen. Schütz
zuliebe nehme ich gerne hin, dass dafür anderes zurück stecken musste!
Auch künftig hat die MBM eine geradezu missionarische
Aufgabe: Die Kenntnisse über eines der bedeutendsten Ursprungsgebiete der
Barockmusik sind in Deutschland und weltweit noch lange nicht so verbreitet,
wie sie sein müssten. Der Weg, der jetzt beschritten wird, ist lohnend und
zukunftsträchtig. Es muss gelingen, die Konstruktion der vier Förderer aufrecht
zu erhalten, denn nur dieses Prinzip garantiert die Beständigkeit, die im
Hinblick auf die Bedeutung Mitteldeutschlands unbedingt nötig ist. Im Einzelnen
könnte etwa die Förderung der Barockoper intensiviert werden, inklusive
historischer Inszenierungen, Bühnenbilder, barocker Gestik und dergleichen. Und
die schon stattfindende Einbeziehung des Nachwuchses sollte verstärkt ins
Blickfeld genommen werden.
Aus meiner ganz persönlichen MBM-Geschichte möchte ich ein
Ereignis heraus greifen: Zwei Monate vor dem „Tag der Mitteldeutschen
Barockmusik“ 1997 in Eisenach rief mich Frau Dr. Konrad an: Für ein Konzert, die
„Wilhelmsthaler Serenaten“, war ein Ensemble aus Basel engagiert worden, das es
plötzlich gar nicht gab! Mit meinem damaligen eigenen Ensemble der
„Mitteldeutschen Barocksolisten“ sprang ich kurzfristig ein und erarbeitete das
uns völlig neue Programm. Der MDR hat das Konzert mitgeschnitten; es ist auf CD
erschienen – und wirklich schön geworden! Aufgrund seiner Intensität und seines
Erfolges ist das für mich bis heute noch ein besonderes Erlebnis…
© Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V.