Die Gründung der MBM 1994 hat eine Vorgeschichte: Anfang
1993 erfuhr ich am Rande einer Sitzung des Deutschen Musikrates, dass das
Händel-Haus Halle nicht wie erwartet auf die Liste für die sogenannte
Leuchtturm-Förderung gesetzt würde. Man muss sich dazu vergegenwärtigen, dass
nach der Wende viele Kultureinrichtungen der DDR praktisch vor dem Nichts
standen. Als Beispiel sei genannt, dass die Finanzierung der Händel-Festspiele
1990 bis zuletzt völlig offen war! Nur durch den erfolgreichen Einsatz des
gebürtigen Hallensers Hans-Dietrich Genscher wurde der Erhalt zunächst gesichert,
doch es blieb ungeklärt, was danach passieren würde. Viele hofften auf eine
Bundesförderung, wobei klar war, dass eine Selektion würde erfolgen müssen, da
nicht alle Einrichtungen von bundesweiter, manche nicht einmal von landesweiter
Bedeutung waren. Zur Erklärung: 1987 hatte der Bundesrat festgestellt, dass der
Bund grundsätzlich keine Kulturkompetenz habe, es sei denn für eigene
Einrichtungen. Somit konnte der Bund in den Neuen Ländern eigentlich gar nicht
fördern, musste aber zunächst mit einem so genannten
„Substanzerhaltungsprogramm“ einspringen, weil die Länder aus eigener Kraft
nicht dazu in der Lage waren. In dieser Zwischenzeit musste eine Auswahl
getroffen werden, welche Institutionen weiterhin unterstützt werden konnten.
Diese Aufgabe übernahm Frau Dr. Peters vom
Bundesinnenministerium in Bonn gemeinsam mit Herrn Eifler, der dem
Kulturministerium der DDR angehört hatte und mit den Verhältnissen in der
früheren DDR folglich gut vertraut war, in Berlin. Als die Frage stand, das Händel-Haus
auf die Liste förderwürdiger Einrichtungen zu setzen, intervenierte das Magdeburger
Kulturministerium: Es gebe so viele bedeutende Barockinstitutionen in
Sachsen-Anhalt, dass es nicht gerechtfertigt sei, nur diese eine
herauszugreifen. Da einige Führungspersönlichkeiten anderer Häuser ebenfalls in
Halle studiert hatten, war unser Kontakt untereinander bestens. Schon zu
DDR-Zeiten hatten wir konstruktiv zusammengearbeitet, teilweise mussten wir, da
Vereinsgründungen nicht erlaubt waren, unsere Aktivitäten auf der Ebene des
‚Kulturbundes’ organisieren. Madgeburg, Teuchern, Weißenfels und Zerbst zogen
also ohnehin in vielerlei Hinsicht mit Halle an einem Strang: Eine
Bundesförderung war für alle gleichermaßen erstrebenswert. Das Land
Sachen-Anhalt unterstützte unsere Bemühungen.
Zu dieser Zeit war ich Präsident des Landesmusikrates, was
mir frühen Einblick in die Entwicklungen erlaubte. Auf der Förderliste stand
für den Musikbereich im mitteldeutschen Raum schließlich nur das Bach-Archiv in
Leipzig, d. h. das Bachhaus Eisenach, das Schützhaus Bad Köstritz und mittlerweile
auch unser Händel-Haus wären vom Ausschluss betroffen worden. Also setzten wir
auf die geballte Kraft der drei Länder. Das Ministerium in Magdeburg hatte
zuvor ein ‚Barockzentrum Sachsen-Anhalt’ ins Gespräch gebracht, aber da winkte
Bonn ab: Von Bundesseite sei eine solche Vereinigung innerhalb der Leuchtturm-Förderung
nur möglich, wenn sie länderübergreifend sein würde. Da das Händelhaus seit
1990 vielfältige Aktivitäten angestoßen hatte und wir dabei schon etwas Erfahrung
in den neuen Verwaltungsangelegenheiten gesammelt hatten, übernahmen wir die Initiative.
Zunächst strebten wir eine Drei-Länder-Stiftung an. Zur ersten Sitzung trafen
wir uns 1993 im Händelhaus: Ein relativ großer Kreis war zusammen gekommen; es
gab ausufernde Diskussionen, aber wenig praktische Ergebnisse…
Entscheidungsdruck kam dadurch in die Sache, dass die vom
Bund bereits für 1995 in Aussicht gestellten Mittel vom Verfall bedroht waren. Bald
kristallisierte sich heraus, dass nur eine Vereinsgründung natürlicher Personen
statt der ursprünglich ins Auge gefassten Institutionen die Gewähr einer
baldigen Verwirklichung bot. Und so trafen sich im Juli 1994 folgende sieben
Persönlichkeiten, um die MBM zu gründen, wobei völlig klar war, dass der Kreis
der Mitglieder sobald als möglich erweitert werden sollte: Dr. Oefner vom
Bachhaus Eisenach, Dr. Hobohm vom Telemannzentrum Magdeburg, Dr. Stein vom
Schützhaus Bad Köstritz, Prof. Dr. Schulze vom Bach-Archiv Leipzig, Dr. Steude
vom Schützzentrum Dresden, Frau Lustig in Vertretung von Dr. Thom vom Institut
für Aufführungspraxis Michaelstein sowie ich als Leiter des Händel-Hauses
Halle. Da die verwaltungsmäßigen Hürden nur mit einer festen Geschäftsstelle zu
bewältigen waren, wurde diese auf Verlangen des Magdeburger Ministeriums im
Kloster Michaelstein angesiedelt. Das Bach-Archiv Leipzig war mittlerweile
separat für die Leuchtturm-Förderung bestätigt worden, hätte also hier gar
nicht mitwirken müssen. Der Anreiz, doch dabei zu sein, ging u. a. von den
zahlreichen Publikationen aus, die der Verein auflegen wollte und an denen
Leipzig durchaus interessiert war. In der 2. Sitzung in Eisenach konnte auf der
Grundlage eines Entwurfes von Dr. Hobohm die Satzung erarbeitet werden.
Damit war die MBM gegründet und handlungsfähig! Statt der zu
Beginn ins Auge gefassten 15 Millionen gab es allerdings nur noch eine Million
DM, die zur Hälfte vom Bund und von den Ländern zu je einem Sechstel getragen
wurde. Eine darüber hinaus gehende Förderung der Barockmusik durch die Länder
war damit – bis auf festgeschriebene Ausnahmen, etwa für die Telemann-Tage
Magdeburg, die Fasch-Festtage Zerbst oder die Händel-Festspiele Halle –
allerdings ausgeschlossen. Das heißt, für die Länder entstand kein zusätzlicher
Finanzaufwand. Mit diesem Budget war es nun möglich, die verbundenen
Einrichtungen zu unterstützen und vielfältige Projekte, auch solche
wissenschaftlicher Art, zu fördern. Die Förderung erfolgte auf der Grundlage
von Anträgen, die ausdrücklich nicht nur seitens der Vereinsmitglieder gestellt
werden konnten. Zunächst gab es sogenannte A-Projekte für große Editionen oder
große Festivals sowie B-Projekte kleineren Ausmaßes. Auf diese waren die
Fördergelder nun zu verteilen. Verbote gab es auch, etwa keine CD-Produktionen
zu fördern, und aus systematischen Gründen sollte es eine reine
Projektförderung sein, also von Fall zu Fall überprüfbar. Als nach einigen
Jahren das Budget drastisch gekürzt wurde, rückte man vom ursprünglichen
doppelten Ansatz, Kunst und Forschung gleichermaßen zu unterstützen, ab: Die
künstlerische Arbeit rückte in den Mittelpunkt, die wissenschaftliche wurde
weitgehend zurück gestellt. Hier laufen nun die letzten, lange geplanten
Projekte aus. Zu sehen ist diese Umkehr auch vor dem Hintergrund, dass die
Fördergelder aus den Kultur- und nicht den Wissenschaftsetats stammen.
Die größte Leistung der MBM war in ihren Anfangsjahren
zweifellos der rege Austausch zwischen den beteiligten Kollegen. Dieser
Informationsfluss bereicherte alle! In Teuchern wurde beispielsweise eine
ständige Ausstellung zu Reinhard Keiser auf die Beine gestellt – das wäre ohne
das Zusammenwirken in der MBM sowie deren Fördergelder nie gelungen. Auch die
Fasch-Pflege in Zerbst hat davon profitiert. Und gerade die Gesamtheit der
Barockmusik in den drei einbezogenen Ländern macht ja die Geschichte aus, nicht
nur Bach und Händel, die zuvor immer herausgehoben worden waren. Es war ein
großes Verdienst der MBM, dass man begann, die Gesamtheit ins Blickfeld zu
rücken, auch wenn dieser Ansatz nicht konsequent weiter geführt wurde. Gerade
auch Schütz hätte die Beachtung, die ihm nun durch das Zusammenwirken der drei
Schütz-Städte zuteil wird, so sonst nicht erfahren. Und wissenschaftliche
Rekonstruktionen, wie wir sie beim Dafne-Projekt oder den Freiberger
Dominstrumenten erleben konnten, wären ohne die MBM sicher nicht zu Stande gekommen.
Die Zusammenarbeit mit den Partnern in der Politik
gestaltete sich anfangs sehr konstruktiv. In den folgenden Jahren, nach dem
Ausscheiden von Frau Dr. Peters, gab es allerdings aus unserer damaligen Sicht
unnötige und teilweise uns unverständliche Probleme, die nur nach und nach
gelöst wurden. Sicherlich wäre für unser großartiges Projekt eine Stiftung die
bessere Konstruktion als der Verein gewesen: Eine solche könnte in ihren
Entscheidungen autark sein und hätte ein anderes Gesicht – und Gewicht – in der
Öffentlichkeit. Doch für solche Pläne bekamen wir keine Unterstützung seitens
der Politik.
Derzeit ist die MBM nach meinem Eindruck hervorragend aufgestellt;
es läuft alles bestens! Es müsste nur noch etwas mehr Geld zur Verfügung stehen…
© Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V.